Die Produkthaftungsrichtlinie 2024 ist ein entscheidender Wendepunkt für Software-Anbieter in der EU. Noch nie zuvor war es so wichtig, sich mit den neuen Anforderungen an die Haftung für digitale Produkte – von klassischer Software über KI-Systeme bis hin zu cloudbasierten Diensten – auseinanderzusetzen. Mit dem Inkrafttreten dieser überarbeiteten Richtlinie rücken Fragen der Produkthaftung, der sicheren Bereitstellung und der Qualitätssicherung digitaler Anwendungen in den Vordergrund. Dieses Gesetz setzt auf ein modernes Verständnis von Haftung, das auch komplexe digitale Lieferketten und Fulfilment-Dienstleister einbezieht. Für Software-Anbieter bedeutet das: Wer den neuen Vorgaben nicht gerecht wird, riskiert nicht nur rechtliche Konsequenzen, sondern auch einen massiven Vertrauensverlust im Markt.
In diesem Beitrag erhalten Sie einen umfassenden Überblick über die EU-Produkthaftungsrichtlinie und erfahren, welche konkreten Änderungen die Produkthaftungsrichtlinie 2024 mit sich bringt. Wir beleuchten die neuen Vorschriften, erläutern deren Umfang und zeigen, wie sich Software-Anbieter rechtzeitig vorbereiten können. Dabei werfen wir auch einen Blick auf die nationale Umsetzung in Deutschland, gehen auf spezifische Rechtsvorschriften wie das ProdHaftG (kurz für Produkthaftungsgesetz) ein und zeigen praktische Ansätze für Qualitätssicherung, Dokumentation sowie Risikomanagement.
Überblick: Die wichtigsten Änderungen der Produkthaftungsrichtlinie 2024
Die aktualisierte EU-Produkthaftungsrichtlinie ist aus einem längeren Gesetzgebungsverfahren hervorgegangen, an dem Mitgliedstaaten, Rat und Gesetzgeber gemeinsam gearbeitet haben. Ziel dieser Neufassung ist es, das veraltete Produkthaftungsrecht, das noch aus Zeiten vor der digitalen Revolution stammt, an die Realitäten moderner Herstellung und Produktion anzupassen. Die Erweiterung der Definition von ersatzfähigem Schaden umfasst nun auch den Verlust und die Verfälschung von Daten, und der Produktbegriff wurde auf Software und digitale Dienstleistungen ausgeweitet. Der dynamische Verkehr digitaler Produkte, bei denen ein Quasi-Hersteller oder digitale Dienstleister eine wesentliche Rolle einnehmen, erfordert neue und klarere Rechtsvorschriften, um Geschädigte besser zu schützen.
Neuer Produktbegriff: Software, KI-Systeme und Produktsicherheit im Fokus
Eine zentrale Neuerung ist der erweiterte Produktbegriff. Die Klarstellung der neuen Regelungen betont die Einbeziehung von Software als Produkt. Während früher vor allem physische Sachen im Mittelpunkt standen, erfassen die neuen Regelungen der Produkthaftungsrichtlinie 2024 jetzt auch Software, KI-Systeme und andere digitale Lösungen. Gerade der Einsatz von künstlicher Intelligenz in Form von Algorithmen oder maschinellem Lernen stellt neue Herausforderungen an die Haftung. Denn der Herstellers (oder Quasi-Hersteller, wenn etwa ein Unternehmen ein fremdes Produkt unter eigenem Namen vertreibt) muss fortan sicherstellen, dass auch digitale Updates, Patches und Algorithmen keine Fehler aufweisen, die zu Schäden führen.
Haftung für Updates und digitale Dienstleistungen
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Haftung für fehlerhafte Produkte, die nun auch auf digitale Dienstleistungen und Updates erweitert wird. Wenn ein Software-Anbieter beispielsweise ein Update bereitstellt, das unerwartet zu einer Sachbeschädigung oder einem Schaden führt, kann er nach der Produkthaftungsrichtlinie 2024 haftbar gemacht werden. Die Klauseln und Pflichten zur Ersatzpflicht gelten damit nicht mehr nur für die ursprüngliche Herstellung, sondern für den gesamten Lebenszyklus eines digitalen Produkts – von der Erstveröffentlichung über Wartung, Patches, Sicherheitsupdates bis hin zur endgültigen Außerbetriebnahme.
Die Fristen und Bedingungen der Verjährung von Haftungsansprüchen beginnen mit dem Zeitpunkt, an dem der Schaden entdeckt wird, und können unter bestimmten Umständen gehemmt werden.
Auswirkungen der Produkthaftungsrichtlinie 2024 auf Software-Anbieter
Für Software-Anbieter, die ihre Produkte und Services in der EU vertreiben, ist es nun oberste Priorität, die neuen Anforderungen im Detail zu verstehen. Die Produkte müssen konform mit dem neuen Produkthaftungsrecht sein – dies betrifft nicht nur die eigentliche Software, sondern auch die Einbindung externer Services, Online-Plattformen, Cloud- und KI-Funktionalitäten sowie die Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern wie Fulfilment-Dienstleister. Wer in den Verkauf von Software involviert ist, sollte sicherstellen, dass sämtliche Voraussetzungen der neuen Richtlinie erfüllt werden. Zudem besteht die Pflicht zur Offenlegung relevanter Beweismittel in Gerichtsverfahren, um eine faire Beweisführung zu gewährleisten.
Haftung für Fehler in Software und Algorithmen
Digitale Fehler, etwa durch fehlerhaften Code oder unzureichend getestete Algorithmen, können in Zukunft weitreichende Konsequenzen haben. Fehler, die zum Verlust wichtiger Daten oder zum Ausfall einer kritischen Anwendung führt, könnte rechtlich als fehlerhaftes Produkt gewertet werden.
Die Produkthaftungsrichtlinie 2024 setzt hier klare Maßstäbe: Ein Software-Anbieter haftet, wenn ein Produkt – egal ob es sich um ein physisches Endgerät mit integrierter Software oder um eine reine Digitalanwendung handelt – nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände, einschließlich des Stands von Wissenschaft und Technik, erwartet werden kann. Gerade bei KI-Systemen, in denen sich Algorithmen selbstständig weiterentwickeln, steigen die Anforderungen an Qualitätssicherung und kontinuierliche Überwachung enorm.
Bedeutung für SaaS, Plattformen und Cloud-Anbieter
Die neuen Neuerungen sind für alle relevant, die digitale Dienste anbieten – von klassischen Software-Lösungen über SaaS-Modelle bis hin zu Plattformen und Cloud-Anbietern. Wer beispielsweise Cloud-Software zur Verfügung stellt oder über Online-Plattformen Drittanbieter-Apps vertreibt, ist in Zukunft stärker in der Pflicht, sicherzustellen, dass keine Fehlfunktionen auftreten, die einen Schadensersatz nach sich ziehen.
Auch der Umgang mit Nutzerdaten, die zuverlässige Bereitstellung von Diensten und die Sicherheit in der Produktion und Wartung von Software stehen jetzt unter genauerer Beobachtung. Hier kommt es auf eine sorgfältige Vertragsgestaltung, ein professionelles Qualitätsmanagement und klare interne Prozesse an, um der neuen Rechtslage gerecht zu werden. Die automatische Steuerung von Maschinen oder Werkzeugen durch digitale Konstruktionsunterlagen, insbesondere bei modernen Technologien wie 3-D-Druckern und der Integration von Software in physische Produkte, die durch Sprachassistenten bedient werden können, spielt dabei eine wichtige Rolle.
Verschärfte Beweislast: Was sich für Geschädigte und Hersteller ändert
Eine wichtige Änderung, die aus der neuen Richtlinie hervorgeht, ist die veränderte Beweislast. Diese Neuerungen im deutschen Zivilprozessrecht weisen Parallelen zu den Verfahren des Common Law auf, speziell hinsichtlich der Pflicht zur Offenlegung relevanter Beweismittel. Geschädigte haben künftig bessere Chancen, ihre Ansprüche durchzusetzen, da der Gesetzgeber eine gerechtere Verteilung der Nachweispflichten fordern will. Während früher das Opfer oft beweisen musste, dass ein Produkt fehlerhaft war, verschiebt sich die Beweislast nun teilweise auf den Hersteller. Software-Anbieter sind damit gefordert, ihre Testverfahren, Audits und Dokumentationen so zu gestalten, dass sie im Fall eines Schadens jederzeit nachweisen können, dass sie alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen haben, um Haftung für fehlerhafte Produkte zu vermeiden.
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Rechtliche Umsetzung in Deutschland
Die EU gibt mit der Produkthaftungsrichtlinie 2024 einen verbindlichen Rahmen vor, doch die konkrete Umsetzung obliegt den einzelnen Mitgliedstaaten. In Deutschland erfolgt dies über das nationale Produkthaftungsgesetz – kurz ProdHaftG –, das an die neuen Vorgaben angepasst wird. Hierbei gilt es, den Anwendungsbereich klar zu definieren, und sicherzustellen, dass nationale Rechtsvorschriften und Grundsatz-Entscheidungen mit dem europäischen Regelwerk im Einklang stehen.
Ein wichtiger Grund für die Haftung von Herstellern und Zulieferern ist, dass ein Zulieferer nicht haftbar ist, wenn er ein fehlerfreies Produkt hergestellt hat, welches aufgrund von Konstruktionsmängeln des Herstellers zu einem fehlerhaften Endprodukt geführt hat.
Anpassungen im Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG)
Das ProdHaftG war bisher vor allem auf klassische physische Produkte zugeschnitten. Mit der Produkthaftungsrichtlinie 2024 ändert sich das: Auch Software, digitale Dienste, KI-basierte Anwendungen und komplexe algorithmische Systeme fallen nun unter den Geltungsbereich dieses Gesetzes. Der Gesetzgeber aktualisiert die bestehenden Klauseln und führt neue Bestimmungen ein, die sicherstellen, dass bei digitalen Produkten – einschließlich regelmäßig durchgeführter Updates – die notwendigen Sicherheitsstandards eingehalten werden. Ob ein Produkt den Erwartungen entspricht, bemisst sich zukünftig stärker am aktuellen Stand von Wissenschaft, Technik und Intelligenz-Entwicklungen.
Fristen, Verjährung, Übergangsregelungen und nationale Besonderheiten
Mit dem Inkrafttreten der Produkthaftungsrichtlinie 2024 entstanden neue Vorschriften, die nicht von heute auf morgen greifen. Es wird Fristen und Übergangsregelungen geben, um Unternehmen Zeit zur Umsetzung zu geben. Deutschland wird im Zuge dieser Anpassungen möglicherweise eigene Feinjustierungen vornehmen, um landesspezifische Anforderungen zu berücksichtigen. Dies könnte zusätzliche Meldepflichten, Dokumentationsanforderungen oder besondere Rechtsvorschriften beinhalten. Auch die Rolle von Fulfilment-Dienstleistern, die Produkte an Endkunden liefern, könnte stärker in den Fokus geraten, da sie wie ein Quasi-Hersteller betrachtet werden können, wenn sie auf die Eigenschaften des Produkts wesentlichen Einfluss nehmen.
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Fazit: Die Produkthaftungsrichtlinie 2024 als Meilenstein für Software-Qualität
Die Produkthaftungsrichtlinie 2024 markiert einen wichtigen Wendepunkt in der Industrie der digitalen Produktion. Sie zeigt, dass die EU gewillt ist, ein modernes und ganzheitliches Produkthaftungsrecht zu schaffen, das den Anforderungen einer vernetzten Welt gerecht wird. Neue Anforderungen an die Produktsicherheit betonen, dass ein Produkt als fehlerhaft angesehen werden kann, wenn es nicht den allgemeinen Sicherheitserwartungen entspricht. Für Software-Anbieter wird klar: Es reicht nicht mehr aus, ein funktionierendes Produkt zur Verfügung zu stellen. Sicherheit, Stabilität, regelmäßige Pflege und klare Dokumentation werden zum Schlüssel, um im verschärften Wettbewerb zu bestehen und rechtliche Risiken zu minimieren.
Unternehmen, die sich frühzeitig mit der neuen Lage auseinandersetzen, haben die Chance, die neuen Anforderungen nicht nur als Pflicht, sondern auch als strategischen Vorteil zu nutzen. Wer beispielsweise seine Test- und Qualitätssicherungsprozesse optimiert, kann ein höheres Maß an Vertrauen bei Kunden aufbauen und langfristig einen Wettbewerbsvorteil erzielen. Die Produkthaftungsrichtlinie 2024 ist damit nicht nur ein Gesetz für mehr Sicherheit, sondern auch ein Motor für Innovation und professionelle Produktentwicklung.
Häufig gestellte Fragen: Neue EU-Produkthaftungsrichtlinie 2024
Wann kommt die neue Produkthaftungsrichtlinie?
Die Produkthaftungsrichtlinie 2024 wird nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens im EU-Amtsblatt veröffentlicht und tritt nach einer bestimmten Übergangsfrist in Kraft. Das genaue Inkrafttreten kann je nach Umsetzungsfortschritt in den Mitgliedstaaten und je nach Ausgestaltung der nationalen Besonderheiten variieren. Unternehmen sollten den Prozess aufmerksam verfolgen und rechtzeitig mit der Anpassung ihrer Prozesse beginnen.
Was besagt das Produkthaftungsgesetz?
Das Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) regelt in Deutschland die Haftung für fehlerhafte Produkte. Es legt fest, unter welchen Voraussetzungen ein Hersteller, Quasi-Hersteller oder Importeur für Schäden haftbar ist, die durch ein fehlerhaftes Produkt entstehen. Durch die Anpassungen im Zuge der Produkthaftungsrichtlinie 2024 wird das ProdHaftG nun auch auf Software und digitale Dienstleistungen ausgeweitet.
Wie lange haftet ein Hersteller für sein Produkt?
Die Dauer der Haftung hängt von den jeweils geltenden Rechtsvorschriften ab. Die Richtlinie sieht vor, dass ein Hersteller unter bestimmten Umständen auch noch Jahre nach dem Verkauf eines Produkts haftbar gemacht werden kann. Dies gilt besonders dann, wenn ein Fehler erst später erkannt wird oder sich Schadensersatz-Ansprüche aus einer langen Nutzung ergeben. Die genauen Fristen und Regelungen sind im ProdHaftG und den weiteren nationalen Umsetzungsakten festgeschrieben.
Für welche Schäden kann Produkthaftung geltend gemacht werden?
Die Produkthaftung greift bei körperlichen Schäden an einer Person, bei Sachbeschädigungen sowie unter bestimmten Voraussetzungen auch bei anderen Vermögensschäden. Wichtig ist, dass ein fehlerhaftes Produkt den Schaden unmittelbar verursacht hat. Die Produkthaftungsrichtlinie 2024 dehnt diesen Schadensbegriff auch auf digitale Produkte aus, bei denen etwa ein fehlerhaftes Update zu Datenverlust oder dem Ausfall kritischer Systeme führen kann.